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Geschwister­streit: Wen habt Ihr lieber?

28. Oktober 2019

Nicola Schmidt ist Bestseller-Autorin, Mutter und absolute Expertin in Sachen Geschwisterstreit. Wir haben in unserer Elternsprechstunde mit der Erziehungsexpertin über Konflikte unter Geschwistern und über den Verzicht von Schimpfen gesprochen. Unter diesem Beitrag findet Ihr das gesamte Video mit allen Ratschlägen zum Anschauen.

Sozialen Stress aushalten lernen

Wegnehmen, Festhalten, Schubsen: Warum gibt es überhaupt so viel Geschwisterstreit?

Nicola: „Kinder, die jünger sind als sechs Jahre, können in Stresssituationen Empathie und soziale Regeln nicht mit ihren Impulsen verknüpfen. ‚Ich will etwas haben, kriege es aber nicht.‘ Diesen sozialen Stress können wir Erwachsene aushalten.

Kinder können diesen Impuls unter Stress einfach noch nicht unterdrücken. Das Kind hat also erstmal Stress und muss lernen, diesen Stress zu bewältigen. Und Geschwister machen enormen Stress, denn es geht um wichtige Ressourcen: Die Aufmerksamkeit der Eltern und auch um Essen. Meistens steckt die Frage dahinter, wen die Eltern lieber haben.“

Aber diese Sorge ist doch unberechtigt!

Nicola: „Leider nein. Wir haben die Tendenz, unsere Kinder viel zu loben und damit indirekt zu vergleichen. ‚Guck mal, das hat dein Bruder gut gemacht.‘ Das andere Kind denkt dann automatisch, dass es selbst etwas nicht gut gemacht hat. Im Stress kommt dann auch oft von den Eltern: ‚Wer zuerst am Auto ist‘ oder ‚Deine Schwester ist schon angezogen‘. So entsteht sofort ein Gefälle und die Reaktion ist dann oft ein tiefer Blick in die kindliche Seele.“

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Pauschales Loben führt zu Geschwisterstreit

Und wie kann ich das verhindern?

Nicola: „Wenn ich keinen Streit und Ressourcenstress möchte, muss ich die Sachen möglichst gleich verteilen und sagen: ‚Du bist so, du bist so, und es ist alles in Ordnung, jeder von euch ist okay.‘ Lob ist immer dann schädlich, wenn es manipulativ oder zu pauschal ist.

‚Du bist aber ein braves Mädchen‘, hier weiß das Kind nicht konkret, was es gut gemacht hat. Es merkt lediglich, ich werde positiv gelobt. Wenn wir aber ein Lob an Verhalten knüpfen und eine Bewertung weglassen, zum Beispiel: ‚Du hast die Schuhe schon angezogen, das hilft mir sehr‘. Das ist ein klares, direktes Lob.

Ständig alles zu bewerten ist nicht notwendig. Die Kinder wollen gesehen werden. Bringt den Kindern bei, dass es nicht darum geht der Bessere zu sein. Jeder ist gut, so wie er ist.“

Teilen aus eigener Motivation

Stichwort Teilen. Wie gehe ich hier am besten vor?

Nicola: „Der Mensch hat sich nur so gut entwickelt, weil wir unsere Beute teilen. Wir sind sehr altruistisch und helfen, auch wenn wir nichts davon haben. Das ist unsere Kernkompetenz. Kinder unter drei Jahren können wiederum nicht teilen lernen. Die verstehen es nicht, weil sie nicht empathisch sind. Mit guter Laune klappe es vielleicht, aber in Not nicht.

Sie müssen es Stück für Stück lernen und wir müssen es ihnen zeigen. ‚Dieses andere Kind möchte auch gerne schaukeln.‘ Nicht mit Gewalt zwingen, sondern klar machen: ‚Von allem ist für alle genug da. Wir wachsen auf in einer Welt der Fülle. Du kannst so lange damit spielen, bis du fertig bist. Und dann gibst du es ab.‘ Dem anderen Kind muss ich in der Zwischenzeit helfen zu warten.

Ein Kind lernt, dass Warten nichts schlimmes ist und es dabei Hilfe bekommt. Das andere Kind lernt, wenn es eine Sache abgibt, hat es dies bewusst gemacht. Niemand hat es weggenommen und es wurde auch nicht überwältigt. ‚Ich bin großzügig‘. Natürlich dauert dieser Prozess etwas länger. Anders provoziere ich aber immer Geschwisterstreit. Das eine Kind ist dann sauer auf das andere, mit dem es teilen musste. Und das andere Kind bekommt dann einen drüber, sobald sich die Eltern umdrehen.“

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Stopp sagen

Ab wann sollte ich bei Geschwisterstreit eingreifen?

Nicola: „Es gibt verschiedene Arten von Streit. Da ist zum einen das Zanken. Das ist nicht weiter schlimm, und ich würde beobachten ob die Kinder alleine eine Lösung finden.

Bei einem richtigen Streit mit Schubsen oder ähnlichem, müssen wir eingreifen, wenn wir sehen, dass sie alleine keinen Weg finden. Erwachsene gehen für so etwas stundenlang in Verhandlungstraining. Und auch Kinder müssen das lernen.

Und dann gibt es noch das gefährliche Streiten, hier fallen fiese Schimpfworte, die wehtun oder es wird körperlich. Da heißt es Stopp zu sagen und die Kinder zu trennen. Und dann müssen wir genau schauen, was eigentlich hinter dem Streit liegt. Oft fühlt sich ein Kind zurückgesetzt.“

Kinder dürfen wütend sein

Aber wie spricht man mit einem wütenden Kind?

Nicola: „Schreiende Kinder können nicht erzogen werden, das ist klar. Zuerst müssen die Kinder herunterfahren, wir setzen uns also hin, beide Kinder dürfen schreien und wütend sein. Wir spiegeln die Kinder, bleiben dabei, unterdrücken es nicht. Kinder wollen kooperieren und beruhigen sich so schnell, wie sie können. Jeder darf anschließend sagen, was passiert ist und was gesehen wurde. Dann erst können wir verhandeln. Die Kinder brauchen zuvor aber die Zeit, sich anzubrüllen – der Druck muss raus.“

Das klingt nach viel Arbeit. 

Nicola: „Natürlich ist es das. Wenn ich meinen Kindern aber immer sage, wie etwas zu laufen hat, dann suchen sie sich auch als Erwachsene jemanden, der ihnen alles sagt. Wir brauchen aber Kinder, die selbst Probleme lösen können. Diese Kinder haben gelernt sich hinzusetzen, dem anderen zuzuhören, ihn ernst zu nehmen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Und es ist erstaunlich, wie gut diese Kinder dies im weiteren Leben können.“

Und auch das Konfliktlösen unter Geschwistern zahlt sich im Leben vermutlich aus.

Nicola: „Absolut. Geschwister haben sich ein Leben lang. Und Geschwister, die eine gute Beziehung haben, sind auch im Alter füreinander da und unterstützen sich. Sie sind glücklicher und weniger krank. Die Investition der ersten sechs Lebensjahre in Moderation von Geschwisterstreit hält also deren ganzes Leben. Das ist auch meine Motivation.“

Die ganze Elternsprechstunde mit Nicola im Video

Sieh Dir jetzt die gesamte Folge unserer Elternsprechstunde im Video an. Hast Du weitere Fragen? Dann stell sie gerne unten in den Kommentaren.

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Zur Elternsprechstunde: In regelmäßigen Abständen findet auf unseren Facebook- und Instagram-Kanälen ein Live-Expertentalk statt mit tollen Themen rund um Schwangerschaft, Stillzeit, Geburt und Elternschaft. Sei beim nächsten Mal unbedingt live dabei und stell auch Deine persönlichen Fragen!

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Autor

Eliza

Eliza ist eigentlich ein Großstadtmädchen und hat in Wien, Valencia, London, Berlin und Frankfurt gelebt, bevor es sie in das beschauliche Münsterland zog. Hier ist sie mit Mann, zwei Kindern und Hund voll und ganz angekommen und genießt jeden Tag die Vorzüge des Landlebens: frische Luft statt volle Straßen, Nachbarschaftsliebe statt Anonymität und vor allem die unendliche Weite vs. Skyscraper-Schluchten. Als Digital-Junkie liebt sie alles, was die Online-Welt betrifft. Social Media ist ihre absolute Leidenschaft, die sie bei Ernsting’s family nun auch zum Beruf gemacht hat. Online sowie offline heißen Eliza‘s Keywords #Familie #Freunde #Reisen #Fashion #Food.

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