Mama-Streit: Einfach aufs Bauchgefühl hören?

4. Juli 2016

Katharina The Nachtsheim Session - Part One12.2.2014@ Niels Starnick

Als meine Tochter wenige Wochen alt war, ging ich zu einem Rückbildungskurs. Nach den sportlichen Übungen saßen wir frischgebackenen Mamas zusammen, klagten über Stillprobleme und erzählten uns von durchwachten Nächten. „Ich habe in einem Ratgeber gelesen, dass Kinder ungefähr ab einem Alter von sechs Monaten nachts keine Nahrung mehr brauchen und deshalb eigentlich durchschlafen könnten“, sagte ich bei einem Treffen. Worauf ich angeguckt wurde, als hätte ich eben verkündet, dass ich kleine Kinder zum Frühstück verspeise. „Du liest diese Erziehungs-Ratgeber? Also ICH höre ja lieber auf mein Bauchgefühl“, klatschte mir eine der Mütter hin. Der Unterton dazu: „Wenn Du kein Bauchgefühl hast, stimmt mir dir ja irgendwas nicht.“ Damals ärgerte ich mich schon maßlos darüber und auch heute noch finde ich es ungerecht, dass einem sofort unterstellt wird, man sei eine schlechtere Mutter, nur weil man nicht immer alles nach Bauchgefühl macht. Lasst mich das erklären: Ja, natürlich kenne ich mein Baby am besten. Und natürlich werde ich nicht irgendeinem Bestseller-Autor blind folgen. ABER was bitte ist so schlimm daran, sich etwas Hilfe zu holen, sich die Erfahrung anderer anzueignen? In meinem Freundeskreis war ich eine der Ersten, die Kinder bekommen hat. Ich hatte also nicht so viele Freundinnen, die ich um Rat fragen konnte. Also kaufte ich ein paar Ratgeber. Und las diese quer. Ich fand es spannend, wie Experten zu manchen Themen stehen, was sie raten und wie unterschiedlich die Herangehensweisen sind. Ich habe natürlich nicht alles 1 zu 1 umgesetzt, aber ich habe mich inspirieren lassen. Bei einem Buch fand ich das gut, bei dem anderen das, bei dem dritten gar nichts. Manche Dinge habe ich ausprobiert, manche haben geklappt, andere haben nicht zu uns gepasst. Wieso bilden wir uns ein, auf alle Baby-Fragen eine Antwort zu haben, sobald wir Mütter sind? Wenn ich einen DVD-Player anschließe, gucke ich doch auch mal in die Gebrauchsanleitung. Wenn ich mein Wohnzimmer umgestalten will, hole ich mir Ideen in Wohnmagazinen, wenn ich zum ersten Mal meinen Balkon bepflanzen will, spreche ich mit einem Gärtner. Nur beim Thema Baby soll all das nicht so sein. Da soll ich alles intuitiv wissen – und wenn ich das nicht weiß, dann stimmt vielleicht mit mir als Mutter was nicht? So ein Quatsch. Ich glaube: Ein Blick über den eigenen Tellerrand hinaus hat noch nie jemanden geschadet…

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Ich bin ein Mensch der Intuition. Ich lasse mich gern vom Leben überraschen und habe auch keinen Fünf-Jahres-Plan für mich und meine Karriere. Nein, ich möchte lieber die Gänseblümchen am Wegesrand bestaunen, als stoisch auf ein Ziel hinzulaufen und alles um mich herum auszublenden. Ich bin auch jemand, der nie Anleitungen liest, sondern der einfach mal macht und ausprobiert. Oft fahre ich sogar einfach mit dem Auto los, statt mich vorher mal mit einem Stadtplan vorzubereiten. Ich frage mich dann eher am Ende durch, wenn ich nicht weiterkomme.

So bin ich! Und deswegen sage ich: Mein Bauchgefühl gehört zu den wichtigsten Dingen in meinem Leben. Mein Bauchgefühl hat mich vor dem ein oder anderen Liebeskummer bewahrt (nicht vor jedem, ok!), es hat mir Selbstbewusstsein gegeben, weil ich das Gefühl hatte, ihm immer vertrauen zu können. Es hat mich in einen Beruf gebracht, den ich bis heute liebe und es hat mir drei frühe Kinder beschert, für die ich unglaublich dankbar bin. Nein, ich habe vor dem Schwangerwerden keine Ratgeber über Vereinbarkeit und Finanzierung von Kindern gelesen, ich habe gespürt: Ich will Mama werden. So einfach. Nach der Geburt meines ersten Kindes habe ich mal kurz nicht auf mein Bauchgefühl, sondern auf die Anweisungen des Krankenhauspersonals gehört – und das ging schief. Das spürte ich, als ich entwürdigt im Stillzimmer saß und vor den Augen fremder Frauen Muttermilch abpumpen sollte. Nach der zweiten Geburt wusste ich: So etwas mache ich nie wieder! Und ich hielt mich daran – entgegen der Empfehlungen der Schwestern. Ich sammle gern eigene Erfahrungen und richte mich danach. Obwohl ich Bücher toll finde! Ich habe sogar selbst eines über Schwangerschaft geschrieben! Aber darin gebe ich keine Tipps oder sage dem Leser, wie er es zu machen hat. Ich erzähle einfach nur aus meiner Erfahrung. Daraus kann jeder seine eigenen Schlüsse ziehen. Das finde ich schön. Inspiration, ohne Vorgaben. Aber viele Bücher sind anders. Ein Schlüsselerlebnis war ein Buch, das ich zur Geburt des ersten Kindes geschenkt bekam und in dem die Entwicklungsstufen eines Kindes aufgelistet waren. Viele schwärmten für das Buch, ich hingegen las die ersten Seiten mit einem Fragezeichen auf der Stirn. Nichts, aber auch gar nichts, das darin stand, passte zu mir und meinem Baby. Dabei hatte ich doch das Gefühl, es laufe einfach super! Mir von einem Buch dieses Super-Gefühl kaputt machen zu lassen: Nein, das wollte ich nicht mehr. Also kaufte ich ab da keine Ratgeber mehr. Und meine Kinder sind trotzdem groß geworden! Und ziemlich gut gelungen – wie mein Bauchgefühl findet…

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Katharina und Lisa

Als drittes von fünf Kindern war Katharina immer klar: Sie will selbst auch eine große Familie haben. Mhhhh - doch dann kam zuerst das Studium, eine Ausbildung und schwupps war sie Ende 20, als ihre Tochter geboren wurde. Heute ist sie, Katharina, 33. Im Januar kam Baby Nr. 2 , der Traum von der Großfamilie besteht immer noch. Und weil die ja nicht nur von Luft und Liebe leben kann, arbeite sie als Journalistin mit Themenschwerpunkt... genau: Familie. Lisa ist 32 und beschäftigt sich, seit sie Mutter dreier Kinder ist, natürlich oft und viel mit Familienthemen. Um nicht ihrem gesamten Freundeskreis mit Kinder-Anekdoten zu nerven, schreibt sie in vielen Ecken und Enden des Internets darüber, z.B. bei www.nusenblaten.de oder www.stadtlandmama.de. Mit Kindern, Mann, Großeltern und vielen Tieren lebt sie direkt am Waldrand. Ihre eigene Kindheit verbrachte sie vor allem auf dem Fußballplatz, auf dem ihr Bruder kickte, während sie mit dem Einrad drumherum kurvte... Gemeinsam schreiben Katharina und Lisa unsere Kolumne "Mama-Streit".

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