Mama-Streit: Muss ich als Mutter spießig werden?
1. Dezember 2016Katharina
Es gab ein Mädchen in meiner Grundschulklasse, die hatte eine Hippie-Mama. Was im tiefsten Franken ziemlich ungewöhnlich war. Die Mama hatte Dreadlocks, eine Spur zu bunte Ohrringe und Kleidung und liebte Esoterik. Immer, wenn ich diese Mutter sah, tat mir meine Mitschülerin leid, denn alle Kinder der Klasse starrten diese ungewöhnliche Mutter mit offenen Mündern an. Heute denke ich, dass diese Mutter ziemlich cool war, ihren Style und Weg konsequent durchgezogen hat, ganz egal, was die anderen Vorstadt-Muttis von ihr dachten. Als Kind aber wäre ich mit so einer Mutter im Erdboden versunken, denn in einem gewissen Alter wollte ich eine Sache nicht sein: Anders als alle anderen. Ich wollte nicht auffallen, einfach dazu gehören und bloß keine Angriffs-Fläche bieten.
Und ich glaube, dass es vielen Kindern so geht. Deshalb glaube ich: JA, als Mama muss man sich ein bisschen zusammenreißen, ein bisschen spießig werden – den Kindern zu Liebe.
Dazu gehört auch, dass man sich an die klassischen Tugenden erinnert:
- Pünktlichkeit: Es ist für ein Kind einfach blöd, wenn die Mama immer als Letzte zum Laternenumzug, zum Klassenfest oder zur Ballett-Aufführung kommt.
- Zuverlässigkeit: Wenn Mama versprochen hat, einen Kuchen für die Weihnachtsfeier zu backen, dann muss sie das auch tun und nicht im letzten Moment Kekse von der Tankstelle holen.
- Ordnung: Es ist eben so, dass wir Mamas dafür sorgen müssen, dass alles zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Wenn das Kind zum dritten Mal nicht richtig mitturnen kann, weil die Jogginghose im Turnbeutel fehlt, ist das ärgerlich.
- Ehrlichkeit: Klar verbocken wir Mamas auch mal was – aber dann müssen wir auch dazu stehen. Ganz einfach, um unseren Kindern vorzuleben, wie wichtig es ist, ehrlich zu sein.
Das alles bedeutet nicht, dass wir ab sofort nur noch im grauen Nadelstreifen-Kostüm aus dem Haus gehen dürfen. Aber es heißt, dass wir uns ab und zu doch mal zurück nehmen sollten, uns bei unseren Auftreten und Handeln fragen sollten, wie sich die Kinder dabei fühlen. Dann gibt es nämlich auch kein Augenrollen und „Mama, du bist sooooo peinlich.“
Lisa
Mein Mann, mein Haus, mein Kind. Nein, mit dieser Aufzählung konnte ich noch nie etwas anfangen. Ich habe drei Kinder und bis heute kein Eigenheim. Ich habe mit dem Schwangerwerden nicht bis nach der Hochzeit gewartet, aber immerhin – geheiratet haben wir. Ist das spießig? Was heißt spießig überhaupt? Spießer gelten als geistig unbeweglich, als angepasst an die gesellschaftlichen Normen, als Leute, die Veränderungen der Lebensumgebung nicht mögen. Nun, ich glaube, nichts verändert die Lebensumgebung so sehr wie ein Kind und geistig unbeweglich dürfen Eltern auch nicht sein, sonst könnten sie ihren Nachwuchs nicht adäquat begleiten. Eltern können im Grunde also gar nicht spießig sein, oder?
Aber ich weiß natürlich trotzdem, was gemeint ist, wenn gesagt wird, dass Person x oder y mit der Elternschaft so spiiiießig geworden ist. Und klar, manche verändern sich extrem. Ob das ein MUSS ist? In gewissem Maße schon. Allein die Schulpflicht wird dafür sorgen, dass wir nicht mehr einfach so für sechs Monate in ein anderes Land können. Aber innerhalb dieser äußeren Begrenzungen haben wir trotzdem noch viel Handlungsspielraum.
Niemand zwingt Eltern, nur noch in gebügelten Blusen aus dem Haus zu gehen, niemand gibt vor, dass aus der alten wild-bunten Wohnung plötzlich eine werden muss, die aussieht, wie aus einem Möbelkatalog abfotografiert. Es gibt Familien mit festen Ritualen, die ihnen wichtig sind und andere Familien, bei denen jeder Nachmittag eher eine Wundertüte gleicht und immer anders ist. Am Ende entscheiden wir selbst, wie sehr wir uns anpassen oder wie alternativ oder hippiehaft wir unseren Lebensstil auch mit Kindern noch gestalten. Und selbst wenn man am Ende einen Mann, ein Haus und ein Kind hat… muss das noch längst nicht heißen, dass man spießig ist.