Mama-Streit: Dürfen Kinder Schimpfworte benutzen?

13. November 2017

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Verdammt nochmal, dürfen wir uns jetzt nicht mal mehr in den eigenen vier Wänden gepflegt über etwas aufregen? Wenn wir uns doch schon auf der Straße und im Job benehmen müssen, können wir uns dann nicht wenigstens in den eigenen vier Wänden mal gehen lassen – und so richtig schön fluchen?
Das müssen wir uns als Eltern fragen, denn schließlich sind wir Vorbilder und Kinder lieben die Imitation. Wollen wir, dass sie irgendwann auch solche Schimpftiraden aufführen, am besten noch auf dem Sommerfest, statt im geschützten Rahmen zu Hause?
Ich kann mich nicht erinnern, dass in meiner Kindheit zu Hause geflucht wurde. Verroht also unsere Sprache, wenn ich zugebe, dass bei uns auch schon mal Worte fallen, die am besten nicht bei Youtube live gestreamt werden?
Aus meiner Kindheit ist die Geschichte übermittelt, dass ich als Zweijährige im Auto saß, eine große Brücke sah und das Wort „Geil!“ rausposaunte. Das war damals offenbar eine solche Sensation, dass die Geschichte auch heute – 33 Jahre später – noch gern auf Familienfeiern erzählt wird. Geil! Das gehört ja heute quasi zum normalen Wortschatz. Das zählt ja nicht mal zur Sorte der Schimpfworte.
Nun ist es bei uns so, dass sich unsere Kinder schlimmere Worte als das Wort „Geil“ um die Ohren hauen, wenn sie streiten. Und da sie das besonders gern tun, wenn ich gerade ein wichtiges Telefonat führe, dann muss ich schon sagen: Nee. So nicht, liebe Freunde. Hier ist jetzt eine Grenze überschritten. Da kann ich nur hoffen, dass mit wachsendem Körper auch die Empathie mitwächst und sie irgendwann begreifen, dass es doch recht rücksichtslos ist, anderen Leuten ins Telefon zu brüllen. In solchen Momenten verkneife ich mir trotzdem die Worte, die mir als Erstes in den Kopf kommen, auch wenn wir uns kaum je vor den Kindern verstellen. Wenn wir traurig sind, bekommen sie das mit. Wenn wir fröhlich sind auch. Also gehört auch die Wut dazu.
Und ehrlich gesagt, ist es mir lieber, dass dann verbal die Fetzen fliegen, als dass sie irgendwas kaputt hauen oder jemanden verletzen. Denn ja, fluchen kann helfen, Emotionen rauszulassen. Solange die Schimpfworte niemanden verletzen, finde ich sie also sogar eine gute Methode, um Dampf abzulassen, ohne dass der Kessel explodiert.
Wenn wir ehrlich sind, können wir die Kinder auch einfach nicht vor allen bösen Worten da draußen schützen. Sobald die Kinder in die Kita oder Schule gehen, kommen sie mit Sprachgebilden nach Hause, die den Namen nicht verdient haben… hui. Aber man kann ja drüber reden.
Denn wem das Wort Vollidiot auf Dauer zu platt ist, der kann sich ja zusammen mit den Kindern neue Schimpfworte ausdenken, die sie ausspucken können, wenn die Wut mal wieder groß ist. Zwetschengenkartoffelknödel zum Beispiel oder Rosenkohl.

The Nachtsheim Session - Part One12.2.2014@ Niels StarnickKatharina

„Aber der Hannes ist ein Arschloch“, sagte der blonde Junge trotzig zu seiner Mutter. Ich stand daneben und wartete auf meine Tochter, die in der Hort-Garderobe noch ihre Schuhe suchte. „Er ist wirklich ein mega blödes Arschloch.“ Ich schluckte. Warum sagte denn die Mutter nichts? Irgendwas besänftigendes, relativierendes? „Ein blödes blödes Arschloch“, schimpfte der Junge weiter. Zum Glück kam da meine Tochter und ich musste mir das Geschimpfe nicht länger anhören.
Doch die Szene ging mir nicht aus dem Kopf. Was hätte ich getan, wenn mein Kind ein anderes Kind als Arschloch bezeichnet hätte? Ich glaube nicht, dass ich das so stehen gelassen hätte.
Klar, manchmal sind Kinder untereinander einfach ekelhaft, da kann man schon mal wütend sein. Ist meine Tochter jetzt auch schon öfter. Und trotzdem ist mir wichtig, dass gewisse Grenzen nicht überschritten werden. Treten, spucken und beißen sind körperliche No-Gos. Aber eben auch gewisse Schimpfworte gehen gar nicht – nämlich alles, was unter der Gürtellinie und vulgär ist. Und auch auf eine andere Sache reagiere ich empfindlich – auf das Wort hassen. Neulich stritt sich meine Tochter mit ihrer besten Freundin. Sie kam wütend nach Hause, schleuderte ihre Sachen in die Ecke und rief: „Mit der spiele ich nie wieder. Ich hasse sie.“
Es bringt natürlich nichts, einer aufgebrachten Sechsjährigen Moralpredigten zu halten, deshalb habe ich sie in den Arm genommen und darauf gewartet, dass der Zorn verraucht. Doch dann habe ich ihr erklärt, dass hassen ein heftiges Wort ist und dass sie vielleicht sauer auf ihre Freundin ist – sie aber ganz sicher nicht hasst.
Mir ist es einfach wichtig, dass meine Kinder wissen, wie sehr Worte verletzen können, welche Macht bestimmte Begriffe haben. Ich möchte sie dafür sensibilisieren, ihre Worte auch in der Wut nicht einfach rauszuschleudern. Denn wenn sie erstmal raus sind, kann man sie nur schwer zurück nehmen.
Und wenn sie doch mal ordentlich schimpfen oder Dampf ablassen müssen, gibt es viele andere Möglichkeiten, ohne gleich die Arschloch-Karte zu ziehen.

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Katharina und Lisa

Als drittes von fünf Kindern war Katharina immer klar: Sie will selbst auch eine große Familie haben. Mhhhh - doch dann kam zuerst das Studium, eine Ausbildung und schwupps war sie Ende 20, als ihre Tochter geboren wurde. Heute ist sie, Katharina, 33. Im Januar kam Baby Nr. 2 , der Traum von der Großfamilie besteht immer noch. Und weil die ja nicht nur von Luft und Liebe leben kann, arbeite sie als Journalistin mit Themenschwerpunkt... genau: Familie. Lisa ist 32 und beschäftigt sich, seit sie Mutter dreier Kinder ist, natürlich oft und viel mit Familienthemen. Um nicht ihrem gesamten Freundeskreis mit Kinder-Anekdoten zu nerven, schreibt sie in vielen Ecken und Enden des Internets darüber, z.B. bei www.nusenblaten.de oder www.stadtlandmama.de. Mit Kindern, Mann, Großeltern und vielen Tieren lebt sie direkt am Waldrand. Ihre eigene Kindheit verbrachte sie vor allem auf dem Fußballplatz, auf dem ihr Bruder kickte, während sie mit dem Einrad drumherum kurvte... Gemeinsam schreiben Katharina und Lisa unsere Kolumne "Mama-Streit".

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