Mama-Streit: Darf ich ein Gastkind maßregeln?

2. Juni 2017

Lisa Lisa3_550x330

Zur Geburt unserer Zwillinge haben wir uns ein Siebensitzer-Auto gekauft. In weiser Voraussicht. Wir hatten und haben zwar insgesamt „nur“ drei Kinder, waren aber sicher, dass sie bald viele Freunde haben würden und wir deswegen auch im Auto mehr Platz bräuchten. Genauso kam es. Wenn wir die Jungs zu Fußballturnieren chauffieren oder die Große mal wieder ihre zwei besten Freundinnen zu Gast hat, dann bewährt sich dieses Auto für uns heute mehr denn je.
Wir leben in der Großfamilie, so dass hier immer Trubel ist. Der ein oder andere Mensch mehr oder weniger fällt hier also gar nicht ins Gewicht. Ich bezeichne unser Haus immer als Haus der offenen Tür und so kommt es häufig vor, dass hier mal sechs statt drei Kindern durch den Garten toben. Ich mag das, ich bin selbst so aufgewachsen und ich sehe es auch als Inspiration. Das eine Kind ist so, das andere so. Da kann man sich oft genug auch etwas abschauen!
Das eine bringt Hausschuhe mit, weil es das von zu Hause gewöhnt ist, das andere lässt – weil es sich hier schon zu Hause fühlt – genau wie unsere Kinder immer die Jacke VOR der Garderobe fallen, statt sie aufzuhängen. Bis ich sie darauf hinweisen könnte, spielen sie längst Scotland Yard im Keller oder sitzen unter einer selbst gebauten Höhle im Kinderzimmer. Wenn nicht, gebe ich meinen Kindern vielleicht kurz einen versteckten Hinweis, psst, die Jacken…
Sie wissen ja genau, welche Regeln hier gelten. Und ich glaube, dass die meisten unserer Besuchskinder auch wissen, dass Jacken nicht auf den Fußboden gehören – aber herrje, sie hatten dann jetzt halt grad wichtigere Pläne. Darüber kann ich mich aufregen – oder es lassen. Ich bin ja nicht ihre Erziehungsberechtigte. Herrlich, oder?
Natürlich würde auch ich nicht dulden, wenn jemand unsere Wände anmalen oder unseren Kindern wehtun würde. In dem Fall würde ich etwas sagen. Aber ob nun jemand gerade sitzt oder beim Essen gerade am Tisch sitzt? Ob jemand Hausschuhe trägt oder nicht, wenn der Boden eh warm ist? Ich halte es nicht für meine Aufgabe, sie dafür zu kritisieren oder ihnen einen besseren Umgang damit beizubringen, solange sie sich an die grundlegenden Regeln von Fairness und einem guten Miteinander halten. Und durch das Vertrauen, das ich ihnen damit entgegen bringe, habe ich das Gefühl, dass sie auch selbst mehr Verantwortung übernehmen. Beim letzten Besuch jedenfalls landete die Jacke doch tatsächlich an der Garderobe. Ganz ohne dass ich etwas dazu gesagt hätte…

Katharina The Nachtsheim Session - Part One12.2.2014@ Niels Starnick

Ich bin nur kurz im Keller, um einen Liter Milch zu holen, da höre ich lautes Gelächter aus der Küche. Und Getrampel. Kurz darauf sehe ich, was sich bei uns am Esstisch abspielt. Mein Sohn und meine Tochter johlen, während Anna (eine Freundin meiner Tochter) barfuß auf dem Tisch steht und Macarena tanzt. „Ähhhhh. Anna, setz dich bitte hin. Wir essen noch“, sagte ich. „Ich habe keinen Hunger mehr“, sagt Anna und schwingt weiter das Tanzbein. „Anna, geh runter vom Tisch“, sage ich. „Ich tanze doch gerade soooo schön“, lacht sie – und meine Kinder stimmen mir ein „Jaaaaaa, Anna tanz weiter!!!“ Und Anna tanzt weiter. Ich stehe da, die Kinnlade unten und weiß zuerst nicht, was ich tun soll. Darf ich ein Besucher-Kind maßregeln? Sollte ich einfach lachen oder es ignorieren? Ich entscheide mich dafür, auf mein Bauchgefühl zu hören. Und das sagt: Ich möchte nicht, dass jemand barfuß auf dem Tisch tanzt. Ich nicht, meine Kinder nicht, fremde Kinder auch nicht. Also sage ich nochmal deutlich: „Anna, geh bitte runter vom Tisch“ – und strecke ihr die Hand hin, um ihr runter zu helfen.
Ich habe oft darüber nachgedacht, inwieweit sich fremde Kinder an unsere Regeln zu Hause halten müssen. Wir haben oft Besucher-Kinder, was ich total schön finde. Und meine Kinder sind auch oft woanders eingeladen. So wie ich möchte, dass meine Kinder sich in anderen Familien gut und angemessen verhalten, so möchte ich dies für fremde Kinder auch bei mir. Solange die Gastkinder bei mir sind, bin ich für sie verantwortlich. Ich muss also darauf achten, dass sie sich nicht weh tun, satt werden und sich wohl fühlen. Und umgekehrt sind die Kinder Gäste bei mir – das heißt, auch sie können (ab einem gewissen Alter) darauf achten, dass ich mich mit ihnen wohl fühle. Natürlich lese ich keine Regel-Liste vor, sobald Gastkinder die Türschwelle übertreten, aber ich sage in gewissen Situationen schon deutlich, wie es bei uns zu Hause läuft.
Eine Freundin hatte neulich zum Beispiel Süßigkeiten mitgebracht und die Kinder wollten sie im Kinderzimmer futtern. Ich achte aber sehr darauf, dass Schoko und Co nicht unkontrolliert in den Kinderzimmern gegessen werden. Das habe ich erklärt, wir haben in der Küche gemeinsam ausgewählt, was und wieviel gesessen wird und die Sachen durften sie mit ins Zimmer nehmen. Das Gastkind hatte kein Problem damit – auch wenn es bei ihr zu Hause ganz anders läuft. Wir wollen unseren Kindern beibringen, zu ihren Überzeugungen zu stehen – ich denke, dann müssen wir es ihnen auch vorleben!

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Katharina und Lisa

Als drittes von fünf Kindern war Katharina immer klar: Sie will selbst auch eine große Familie haben. Mhhhh - doch dann kam zuerst das Studium, eine Ausbildung und schwupps war sie Ende 20, als ihre Tochter geboren wurde. Heute ist sie, Katharina, 33. Im Januar kam Baby Nr. 2 , der Traum von der Großfamilie besteht immer noch. Und weil die ja nicht nur von Luft und Liebe leben kann, arbeite sie als Journalistin mit Themenschwerpunkt... genau: Familie. Lisa ist 32 und beschäftigt sich, seit sie Mutter dreier Kinder ist, natürlich oft und viel mit Familienthemen. Um nicht ihrem gesamten Freundeskreis mit Kinder-Anekdoten zu nerven, schreibt sie in vielen Ecken und Enden des Internets darüber, z.B. bei www.nusenblaten.de oder www.stadtlandmama.de. Mit Kindern, Mann, Großeltern und vielen Tieren lebt sie direkt am Waldrand. Ihre eigene Kindheit verbrachte sie vor allem auf dem Fußballplatz, auf dem ihr Bruder kickte, während sie mit dem Einrad drumherum kurvte... Gemeinsam schreiben Katharina und Lisa unsere Kolumne "Mama-Streit".

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