Mama-Streit: Brauchen Kinder Rituale?

24. April 2017

Katharina The Nachtsheim Session - Part One12.2.2014@ Niels Starnick

„Kinder sind Spießer. Sie lieben es, wenn jeder Tag gleich abläuft“. Diesen Satz sagte mir mal eine erfahrene Dreifach-Mama, als meine erste Tochter wenige Wochen alt war. Damals saßen wir zusammen und ich berichtete ihr von meinen immer gleichen Tagen mit den immer gleichen Abläufen. „Das mag jetzt vielleicht etwas nervig sein, aber in einigen Wochen wird es Dir das Leben enorm erleichtern“, sagte meine Freundin. Ich hörte auf sie – zum Glück. Denn tatsächlich zahlte es sich schnell aus, dass meine Kinder jeden Tag zur gleichen Zeit schlafen gingen, zur gleichen Zeit aßen, wir zur gleichen Zeit spazieren gingen. Sie waren – im Gegensatz zu vielen anderen Kindern – ruhiger und gelassener. Und berechenbarer. Wie ich das meine? Ein Kind, das feste Rituale hat, weiß einfach, welcher Punkt als nächstes kommt. Es wird nicht von Neuem durcheinander gebracht, kann beruhigt durch den Tag gehen, ohne fürchten zu müssen, dass Mama gleich wieder Experimente macht. Und mit einem Baby, das jeden Tag zuverlässig um die gleiche Zeit schlafen geht, können die Eltern sich auch mal easy einen Babysitter nehmen. Gerade wenn Kinder klein sind, brauchen sie feste Rituale. Das gibt ihnen Sicherheit und Wurzeln. Natürlich schränkt uns Eltern das erstmal ein. Es ist mitunter auch anstrengend, aber ich glaube, es zahlt sich aus. Eine andere Freundin von mir sagte, sie käme sich gefangen vor, müsste sie sich fest an solche Rituale halten. Und dass es den Kindern doch auch langweilig werden müsse. Ich glaube aber, dass Kinder jeden Tag so viel Neues und Spannendes erleben (und auch verarbeite müssen!), dass es ihnen gut tut, wenn es zu Hause einige fixe Punkte gibt. Mit dieser Ruhe und Bodenhaftung ausgestattet können sie auch dann viel besser in neue Abenteuer starten.

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Gestern erwähnte ich im Gespräch mit einer Freundin kurz, dass wir im Winter eventuell nochmal in die Sonne fahren. „Wie?“, fragte sie, „über Weihnachten?“ Ja klar, dachte ich, wir müssen uns ja an die Schulferien halten. Für sie war die Vorstellung, über Heiligabend am Strand zu liegen, undenkbar. Sie braucht die Kälte, diese dunkle Stimmung, die durch all die Lichterketten aufgehellt wird und die Rituale, die ihr jedes Jahr aufs Neue ein heimeliges Gefühl geben. Und natürlich finde ich das auch schön und trotzdem mag ich es, diese vermeintlichen Grenzen zu sprengen. Ich mag das, weil ich selbst so aufgewachsen bin. Immer wieder Überraschendes, Neues, das gehörte bei uns immer dazu. Nun heißt es ja aber: Kinder sind die größten Spießer, die es gibt. Dieser Satz hat sich mir eingeprägt, als alle immer sagten: Ui, den Lebensstil kannst du aber nicht beibehalten, wenn du mal Kinder hast. Das werden wir ja mal sehen, dachte ich. Es ist ja immer die Frage, inwieweit man sich der Welt der Kinder anpasst oder inwiefern man die Kinder sich anpassen lässt. Ich glaube, wir haben da eine ganz gute Lösung für uns gefunden. Es gibt tatsächlich relativ wenige Rituale bei uns in der Familie, wir haben es – so gut es geht geschafft – uns unsere Flexibilität im Kleinen zu bewahren. Und ja, das funktioniert bei uns sehr gut. Natürlich kann ich nicht mehr spontan übers Wochenende nach London zu einer Freundin fliegen, aber mal alle Pläne über den Haufen werfen, weil die Kinder grad einen Bach entdeckt haben, in dem sie spielen wollen? Das Abendessen mal auf der Picknickdecke stattfinden lassen, weil wir halt grad Lust drauf haben? Ja! Das geht. Bei uns muss nicht immer alles gleich ablaufen. Und natürlich ist es manchmal anstrengender im Leben, wenn alles immer neu ausgelotet wird. Wenn es am Esstisch keine festen Plätze gibt, wenn Dienste nicht starr verteilt sind, wenn es keine feste Zubettgeh-Zeit gibt. Aber es lässt uns eben auch innerhalb der Grenzen (die Schule beginnt um viertel vor acht), die wir haben, ganz viel Spielraum und Freiheit. Und das ist es, was wir uns immer bewahren wollten – und was uns als Familie deswegen auch immer wieder glücklich macht.

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Autor

Katharina und Lisa

Als drittes von fünf Kindern war Katharina immer klar: Sie will selbst auch eine große Familie haben. Mhhhh - doch dann kam zuerst das Studium, eine Ausbildung und schwupps war sie Ende 20, als ihre Tochter geboren wurde. Heute ist sie, Katharina, 33. Im Januar kam Baby Nr. 2 , der Traum von der Großfamilie besteht immer noch. Und weil die ja nicht nur von Luft und Liebe leben kann, arbeite sie als Journalistin mit Themenschwerpunkt... genau: Familie. Lisa ist 32 und beschäftigt sich, seit sie Mutter dreier Kinder ist, natürlich oft und viel mit Familienthemen. Um nicht ihrem gesamten Freundeskreis mit Kinder-Anekdoten zu nerven, schreibt sie in vielen Ecken und Enden des Internets darüber, z.B. bei www.nusenblaten.de oder www.stadtlandmama.de. Mit Kindern, Mann, Großeltern und vielen Tieren lebt sie direkt am Waldrand. Ihre eigene Kindheit verbrachte sie vor allem auf dem Fußballplatz, auf dem ihr Bruder kickte, während sie mit dem Einrad drumherum kurvte... Gemeinsam schreiben Katharina und Lisa unsere Kolumne "Mama-Streit".

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