Mama-Streit: Gibt es Helikopter-Eltern?

17. März 2017

Katharina The Nachtsheim Session - Part One12.2.2014@ Niels Starnick

„Lotta, pass auf, der Sand ist vielleicht nass und da kann man dann ganz leicht ausrutschen.“ Es war ein herrlicher Frühlingsnachmittag auf einem Spielplatz mitten im Berliner Prenzlauer Berg – doch die Mutter von Lotta sah überall nur dunkle Gefahren-Wolken. Anstatt sich einfach mal auf eine Bank zu setzen und ihr Gesicht in die Sonne zu halten, gab sie im Sekundentakt Kommandos: „Nicht zu dicht an die Schaukel, Lotta“ oder „Pass auf der Wippe auf“ oder „Nein, nicht noch höher klettern, das ist gefährlich.“ Puh, ich gebe gerne zu, dass es mich einige Anstrengung kostete, um Lottas Mama nicht zu sagen, sie solle sich mal entspannen.

Es war ja mal eine Zeitlang angesagt, in Zeitungsartikeln über uns Eltern herzuziehen. Immer und immer wieder wurden dabei Szenen aus dem Prenzlauer Berg beschrieben. Dort würden nur ängstliche Eltern leben, die ihren Friedrichs, Emmas oder Finns nicht von der Seite weichen würden und in ständiger Angst vor Schürfwunden und nicht-veganen-Produkten leben würden. Ich habe sieben Jahre im Epizentrum des Prenzlauer Berges gelebt und kann sagen: Es war und ist natürlich etwas übertrieben dargestellt – aber ja, es gibt diese Helikopter-Eltern. Ich kann sie sogar verstehen. Wir alle wollen nur das Beste für unsere Kinder. Wir wollen nicht, dass sie sich wehtun oder dass ihnen Unrecht geschieht. Am liebsten würden wir sie in Watte hüllen und alles Üble von ihnen fern halten. Nur: Was würde aus Kindern werden, die nie gelernt haben, dass hinfallen zwar weh tut, aber dass sich aufstehen lohnt? Wir dürfen ihnen nicht die Erfahrungen rauben. Erfahrungen sind wichtig für ihr Selbstbewusstsein, für die Selbsteinschätzung, für ihr Wachsen. Viele Eltern haben verlernt, ihren Kindern etwas zuzutrauen, sie einfach mal laufen zu lassen. Stattdessen quatschen sie sie nonstop mit gut gemeinten Ratschlägen voll und übertragen ihre ständige Panik auf die Kinder. Kinder, denen nichts mehr zugetraut wird, trauen sich irgendwann selbst nichts mehr zu. Und das ist dann viel schlimmer als eine Beule oder ein aufgeschlagenes Knie.

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Rabenmutter, Glucke, Helikopter-Eltern. Diese Schubladen wurden extra für uns Eltern erfunden und ganz ehrlich: Ich weigere mich, sie zu öffnen. Für mich gibt es nicht DIE Rabenmutter, DIE Glucke, DIE Helikopter-Mutter. Wir haben so viel zu tun mit unserem Alltag, es kostet nur zusätzlich Kraft, sich dauernd rechtfertigen zu müssen – vor allem gegen solche doofen Stempel, die uns da permanent aufgedrückt werden.

Wer sagt mir, dass die Mutter, die sich auf der Rutsche um ihr Kind sorgt, nicht gerade einen Schicksalsschlag hinter sich hat und deswegen gerade ein bisschen vorsichtiger ist? Und selbst wenn nicht, steht es mir zu, über ihr Handeln, über das Handeln anderer zu urteilen? Es nervt mich so.

Mütter, die bloggen, haben einfach nur Langeweile. Mütter, die den Brei selbst kochen, sind einfach nur „Ökos“. Und Väter, die mit zum Kinderarzt gehen, haben wohl einfach keinen Bock, Karriere zu machen. Verdammt. So können Menschen doch nicht ernsthaft denken!

Helikopter-Eltern, das sollen Mütter und Väter sein, die ständig über ihren Kindern kreisen und jeden einzelnen Schritt beobachten, kommentieren oder beachten. Wer soll denn sowas schaffen? Ich bin nun wirklich kein Neuling mehr in der Elternbranche, ich bin seit zehn Jahren Teil davon und mir ist tatsächlich noch nie ein solcher Mensch begegnet, der rund um die Uhr nur über dem Kind kreist.

Ich wage mich sogar soweit hervor, zu sagen: Es gibt keine Helikopter-Eltern. Es tut mir leid für die Feuilletonisten, die da Menschen niederschreiben, die sie nicht kennen.

Es gibt Mütter und Väter, die sich viel kümmern, die sich wenig kümmern, die sich ab und zu kümmern. Sie lassen sich jedoch nicht über einen Kamm scheren. Oder vielleicht doch, aber dann nur in dem Konsens, das Beste für das eigene Kind zu wollen.

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Autor

Katharina und Lisa

Als drittes von fünf Kindern war Katharina immer klar: Sie will selbst auch eine große Familie haben. Mhhhh - doch dann kam zuerst das Studium, eine Ausbildung und schwupps war sie Ende 20, als ihre Tochter geboren wurde. Heute ist sie, Katharina, 33. Im Januar kam Baby Nr. 2 , der Traum von der Großfamilie besteht immer noch. Und weil die ja nicht nur von Luft und Liebe leben kann, arbeite sie als Journalistin mit Themenschwerpunkt... genau: Familie. Lisa ist 32 und beschäftigt sich, seit sie Mutter dreier Kinder ist, natürlich oft und viel mit Familienthemen. Um nicht ihrem gesamten Freundeskreis mit Kinder-Anekdoten zu nerven, schreibt sie in vielen Ecken und Enden des Internets darüber, z.B. bei www.nusenblaten.de oder www.stadtlandmama.de. Mit Kindern, Mann, Großeltern und vielen Tieren lebt sie direkt am Waldrand. Ihre eigene Kindheit verbrachte sie vor allem auf dem Fußballplatz, auf dem ihr Bruder kickte, während sie mit dem Einrad drumherum kurvte... Gemeinsam schreiben Katharina und Lisa unsere Kolumne "Mama-Streit".

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