Mama-Streit: Sollten wir auf den Rat von Kinderlosen hören?

19. September 2016

Katharina The Nachtsheim Session - Part One12.2.2014@ Niels Starnick

„Vielleicht musst Du sie einfach mal im Kinderwagen lassen, dann beruhigt sie sich von alleine“, sagte meine Freundin Lena zu mir. Ich hatte gerade zum fünfzigsten Mal mein vier Wochen altes Baby aus dem Kinderwagen gehoben und lief wie ein Tiger im Café auf und ab, um das schreiende Bündel auf meinem Arm zu beruhigen. Dass meine noch kinderlose Freundin das doof fand, konnte ich (und kann ich auch heute noch) verstehen. Schließlich hatte ich ja allen noch vor ein paar Monaten erzählt, dass ich eine von den Müttern werden würde, die sich null verändern würden. Mit mir würde man auch weiterhin normale Gespräche führen können und ich würde nicht ständig Milchflecken auf der Bluse haben. Nun ja – meine Freundin und ich realisierten wohl spätestens in diesem Augenblick, dass die Wirklichkeit anders aussah. Nachdem meine Freundin mir also nun diesen Satz hingeknallt hatte (der ja nichts anderes hieß als: Setz Dich jetzt hin, ich will mit Dir reden!), merkte ich, wie Wut in mir aufstieg. Wie konnte meine Freundin mir so einen Ratschlag geben? Sie hatte weder dieses Kind unter Schmerzen geboren, noch vier Wochen Schlafentzug hinter sich, sie wusste nicht, wie sehr ich meine Tochter liebe und wie sehr mich ihr Weinen stresst.

Oft hört man ja, dass Mütter sich gegenseitig ständig ungefragt Tipps geben. Bei mir waren das eher meine kinderlosen Freunde, die ganz genau wussten, was ich zu tun habe. „Ist sie nicht zu alt für einen Schnuller?“, „Warum kann der Babysitter sie nicht ins Bett bringen, sie hat doch nur etwas Fieber!“, „Zu lange solltest Du aber nicht aus dem Job aussteigen“, „Du hast ja richtige Helikopter-Mom-Züge!“

Irgendwann beschloss ich, einfach nicht mehr hinzuhören. „Krieg Du erstmal ein Kind, dann wirst Du besser verstehen, wie es mir geht“, dachte ich.

Sorry, aber es ist nun ganz einfach so, dass ich auch nicht ins Cockpit marschiere und dem Piloten sage, wie er am besten das Unwetter umfliegt. Ich gehe auch nicht in eine Bäckerei und sage dem Bäcker, wie seine Brötchen knuspriger werden. Ich glaube nämlich, dass die ihren Job so gut machen, wie sie nur können. Und dass ich viel weniger Ahnung habe als sie – weil ich nämlich noch nie ein Flugzeug geflogen bin oder eine Backstube geschmissen habe.

Und da Mamasein auch ein „Job“ ist, und zwar ein ganz schön intensiver, wünsche ich mir von all denjenigen, die davon keine Ahnung haben, dass sie einfach mal die Klappe halten sich zurückhalten mögen…

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„Das wird bestimmt die ganz große Liebe.“ „Vorsicht, ganz gefährlich, du hast die rosarote Brille an.“ So ein Gespräch unter Freundinnen kennt doch jede von uns, oder? Natürlich hören wir nicht gern, dass wir uns statt auf die Liebe vielleicht nur auf einen oberflächlichen Casanova eingelassen haben. Aber am Ende hilft er uns: Der neutrale Blick von außen. Denn so doof das auch ist: Manchmal, nein, ziemlich oft haben die Freundinnen ja recht damit. Nüchtern betrachtet, sieht die Welt nun mal anders aus als in einer gefühligen Ausnahmesituation.

Und was für Liebesbeziehungen gilt, warum sollte das nicht auch für die Mutterschaft gelten? Nach der Geburt tauchen wir so ein in die Welt unseres Babys, dass wir gern mal vergessen, was uns sonst noch so ausmacht. Wir lieben, wir knuddeln, wir hegen und pflegen. Ist doch klar, dass dann auch irgendwann ein Tunnelblick eintritt. Und in diesen Situationen liebe ich sie, die kinderlosen Freundinnen, die mich zurück auf den Boden holen. Die mir zeigen, dass es auch noch eine Welt da draußen gibt. Natürlich hab ich da leicht reden – ich war die Erste im Freundeskreis, die Kinder bekam. Ich hatte also viel Kontakt zu Kinderlosen. Aber ich finde auch heute noch nicht, dass man sagen sollte: Nur weil Du keine Kinder hast, hast Du ja keine Ahnung. Wo kämen wir denn dahin? Nur weil eine Hebamme selbst noch kein Kind bekommen hat, kann sie doch trotzdem bei Geburten helfen. Nur weil ein Chirurg selbst noch keine Blinddarmentzündung hatte, kann er doch trotzdem eine operieren. Oder?

Manchmal, da tut so ein Blick oder ein Spruch eines Außenstehenden einfach gut, um wieder näher an sich selbst heranzurücken. Jedenfalls, solang er nicht besserwisserisch oder belehrend rüberkommt. Da gibt es einen großen Unterschied zwischen einem „Das würde ich ja niemals so machen, wenn ich Kinder hätte“ und einem „Hey, versuch’s doch auch mal so, damit es Dir bald besser geht.“ Die letzte Variante nehme ich gern an. Manchmal sogar lieber von einem Kinderlosen als von einer anderen Mutter. Denn in ersterem Fall gibt es keine Vergleiche und ich weiß: Ja, diese Person meint jetzt wirklich mich – und nicht sich selbst und ihre eigene Erfahrung.

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Autor

Katharina und Lisa

Als drittes von fünf Kindern war Katharina immer klar: Sie will selbst auch eine große Familie haben. Mhhhh - doch dann kam zuerst das Studium, eine Ausbildung und schwupps war sie Ende 20, als ihre Tochter geboren wurde. Heute ist sie, Katharina, 33. Im Januar kam Baby Nr. 2 , der Traum von der Großfamilie besteht immer noch. Und weil die ja nicht nur von Luft und Liebe leben kann, arbeite sie als Journalistin mit Themenschwerpunkt... genau: Familie. Lisa ist 32 und beschäftigt sich, seit sie Mutter dreier Kinder ist, natürlich oft und viel mit Familienthemen. Um nicht ihrem gesamten Freundeskreis mit Kinder-Anekdoten zu nerven, schreibt sie in vielen Ecken und Enden des Internets darüber, z.B. bei www.nusenblaten.de oder www.stadtlandmama.de. Mit Kindern, Mann, Großeltern und vielen Tieren lebt sie direkt am Waldrand. Ihre eigene Kindheit verbrachte sie vor allem auf dem Fußballplatz, auf dem ihr Bruder kickte, während sie mit dem Einrad drumherum kurvte... Gemeinsam schreiben Katharina und Lisa unsere Kolumne "Mama-Streit".

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