Mama-Streit: Braucht ein Kind ein eigenes Zimmer?

9. Mai 2016

Lisa Lisa3_550x330

Unsere Kinder haben alle ein eigenes Zimmer – in der Theorie. In der Praxis schlafen sie Abend für Abend in ein und demselben Bett ein. Sie nutzen es nicht! Sie brauchen es nicht! Die Zwillinge finde ich abends oft sanft atmend und in Armen oder Beinen verkeilt vor, wenn ich selbst ins Bett gehe und sie schlafend in ihre eigenen Betten trage.
Als unser letztes Kind geboren wurde und wir plötzlich zu fünft waren, wohnten wir noch in einer Vierzimmerwohnung mitten in der Stadt. Da es nur ein einziges Zimmer gab, dass zum Hinterhof führte und nicht zur vierspurigen Straße, war für uns von Anfang an klar: Wir schlafen alle in einem Zimmer. Sie wachten eh noch so häufig auf.
Irgendwie scheinen sich unsere Kinder daran gewöhnt zu haben. Denn nachdem wir umzogen und plötzlich Platz hatten, wollten sie gar nicht in ihre eigenen Zimmer… Wenn sie heute abends alle so nah beieiander liegen, dann stell ich mir immer einen kleinen Fuchsbau vor, in dem die Jungen auch eng aneinander gekuschelt in ihrer Höhle liegen. Irgendwie schön.
„Spätestens zur Einschulung braucht ein Kind ein eigenes Zimmer, einen eigenen Schreibtisch“, so heißt es immer. Wir hielten uns dran, jedes Kind bekam einen Schreibtisch. Daran sitzen sie allerdings so gut wie nie! Unser Zentralort am Tage ist und bleibt unsere große Familienküche. An diesem Tisch essen wir, spielen Spiele oder machen Hausausgaben. Wenn die Kinder sich mal nach oben in ihre Zimmer begeben, dann meist zu zweit oder dritt. Die Male, in denen sie allein im Zimmer spielten, lassen sich an einer Hand abzählen. Vermutlich wird sich das zur Pubertät hin verändern, aber bislang brauchen sie echt kein eigenes Zimmer.
Vielleicht sind wir da ein Spezialfall, aber unsere Kinder hatten nicht von Anfang an ein eigenes Zimmer. Und ich glaube fast, sie haben es auch nicht vermisst, sonst würde sie es doch heute viel öfter nutzen.

Katharina The Nachtsheim Session - Part One12.2.2014@ Niels Starnick

Ich habe vier Geschwister, bei uns zu Hause war immer Trubel. Wenn man so viele Geschwister hat, lernt man schnell zu teilen. Das Essen, die Spielsachen, die Aufmerksamkeit der Eltern, Zeit. Oft hatte ich das Gefühl, alles sei Allgemeingut. „Gib doch Deiner Schwester was ab“, „Nimm Deinen Bruder bitte mit“, diese Sätze hörte ich ständig. Auf der einen Seite war es wunderbar, zu einer Gemeinschaft zu gehören, wir fünf waren eine richtige Gang. Auf der anderen Seite war es anstrengend, nie war ich allein. Außer in meinem eigenen Zimmer, das ich glücklicherweise von Anfang an hatte. Dort war Ruhe, dort war alles meins, dort konnte ich auch mal mit meinen Freundinnen spielen, ohne dass ein Bruder um die Ecke gerannt kam und alles zerstörte. Ich schätzte diese Insel für mich schon als Kind, später in der Pubertät wurde mein eigenes Zimmer noch viel wichtiger. Ich hörte dort stundenlang Musik, träumte von dem süßen Jungen in der Parallelklasse oder schrieb Tagebuch. Das alles wäre nicht in dieser Intensität gegangen, wenn ich dabei auf das Fußball-Plakat meines Bruders geguckt hätte oder meine Schwester mir beim Tagebuch schreiben über die Schulter geguckt hätte. Ich glaube fest daran, dass Kinder Privatsphäre brauchen.
Meine Kinder sind nun zwei und fünf Jahre alt – und teilen sich noch ein Zimmer. Demnächst aber werden wir umbauen. Aus dem Gästezimmer wird ein Kinderzimmer. Das ist zwar schade, weil so ein Gästezimmer praktisch ist, aber absolut nachvollziehbar. Denn ich merke bei meinen Kindern, wie gut ihnen manchmal die Zeit ohne den anderen tut.  Alle paar Wochen mache ich zum Beispiel einen Mutter-Tochter-Tag mit meiner Großen. Wir fahren Freunde besuchen, gehen in den Zoo oder in die Eisdiele, machen eine Radtour. Diese Zeit ohne ihren Bruder macht sie unglaublich glücklich. Weil sie eben mal ungestört ist und mich nicht teilen muss. Genauso ist das mit dem eigenen Zimmer. Es ist schön, die Tür zu öffnen, gemeinsam zu spielen und zu toben. Aber von Zeit zu Zeit  muss man die Tür einfach mal zumachen, zu sich kommen und alleine sein. Ich selbst brauche meinen Freiraum – wie könnte ich ihn da meinen Kindern absprechen?

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SCHLAGWORTE:

Autor

Katharina und Lisa

Als drittes von fünf Kindern war Katharina immer klar: Sie will selbst auch eine große Familie haben. Mhhhh - doch dann kam zuerst das Studium, eine Ausbildung und schwupps war sie Ende 20, als ihre Tochter geboren wurde. Heute ist sie, Katharina, 33. Im Januar kam Baby Nr. 2 , der Traum von der Großfamilie besteht immer noch. Und weil die ja nicht nur von Luft und Liebe leben kann, arbeite sie als Journalistin mit Themenschwerpunkt... genau: Familie. Lisa ist 32 und beschäftigt sich, seit sie Mutter dreier Kinder ist, natürlich oft und viel mit Familienthemen. Um nicht ihrem gesamten Freundeskreis mit Kinder-Anekdoten zu nerven, schreibt sie in vielen Ecken und Enden des Internets darüber, z.B. bei www.nusenblaten.de oder www.stadtlandmama.de. Mit Kindern, Mann, Großeltern und vielen Tieren lebt sie direkt am Waldrand. Ihre eigene Kindheit verbrachte sie vor allem auf dem Fußballplatz, auf dem ihr Bruder kickte, während sie mit dem Einrad drumherum kurvte... Gemeinsam schreiben Katharina und Lisa unsere Kolumne "Mama-Streit".

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