Inklusion in der Schule

Der Familienratgeber: Was bedeutet Inklusion in der Schule?

11. April 2016

Familie Schmidt meldet ihre Tochter in der Grundschule an. „Haben Sie Wünsche, mit wem Ihre Tochter in eine Klasse gehen soll?“, fragt die Schulleiterin. „Außerdem habe ich noch eine Frage: Eine der ersten Klassen wird eine Integrationsklasse sein. In diese gehen auch Kinder mit besonderem Förderbedarf, dafür ist die Klasse kleiner. Könnten Sie sich das für Lisa vorstellen?“

Integration in der Schule – damit hat sich die Familie noch nicht auseinandergesetzt. Sie spricht eine Lehrerin im Bekanntenkreis an: „Was bedeutet das für Lisa, wenn sie in eine Integrationsklasse gehen würde? Und dann hört man ja in letzter Zeit auch oft von „Inklusion“ – was ist das genau?“ Im Gespräch wird das Bild für die Eltern klarer.

Inklusion – was bedeutet das?

Inklusion bedeutet, mit gleichen Rechten am Leben der Gesellschaft teilhaben zu dürfen und nicht aufgrund von Behinderung ausgeschlossen zu werden und nicht die gleichen Rechte oder geringere Chancen zu haben als nicht behinderte Menschen.

Dies steht in der UN-Behindertenrechtskonvention, die in Deutschland im Jahr 2009 in Kraft trat. Damit hat sich das Land verpflichtet, die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Behinderte Menschen sollen die gleichen Möglichkeiten und Rechte erhalten. Inklusion bedeutet, nicht der behinderte Mensch muss sich anpassen, sondern die Gesellschaft muss ihm die Teilhabe ermöglichen.

Was aber heißt dies für die Schule und den Unterricht?

In der Pädagogik wird Inklusion noch viel umfassender gesehen: Inklusion bedeutet, alle Kinder in ihrer Verschiedenheit anzuerkennen und wertzuschätzen. Die Idee dahinter ist, dass es normal (und bereichernd) ist, verschieden zu sein. Dabei geht es nicht nur um z.B. ein Kind im Rollstuhl, um behinderte und nicht- behinderte Kinder, sondern um viele Merkmale, in denen sich Menschen unterscheiden: Geschlecht, Begabung, Aussehen, Herkunft, Staatsangehörigkeit usw. Es geht also um die grundlegende Einstellung, dass wir Menschen alle verschieden sind und dies kein Makel ist.

Was ist der Unterschied zwischen Inklusion und Integration?

Inklusion hat daher einen anderen, weiteren Blickwinkel als Integration. Integration sagt, ein Kind ist anders als die meisten, und wir wollen es z.B. in die Regelschule aufnehmen, indem wir ihm die Unterstützung geben, die es braucht. Das Gegenteil ist die Segregation, in diesem Fall der Besuch einer besonderen Schule (Sonderschule, Förderzentrum o.ä. für seinen spezifischen Bedarf z.B. in der körperlichen Entwicklung).

Inklusion in der Schule

Warum ist Inklusion wichtig für Kinder mit Unterstützungsbedarf?

Denkt man Inklusion zu Ende, so muss die Schule in der Lage sein, jedes Kind so zu fördern wie es dies braucht. Davon sind wir noch weit entfernt. Aber wir sind schon ein gutes Stück auf dem Weg gegangen. Zumindest ist die Zahl der Kinder, die eine allgemeinbildende Schule besuchen (Integration) deutlich gestiegen. 2012/13 besuchte jedes vierte Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine allgemeinbildende Schule (vgl. Nationaler Bildungsbericht, 2014). Dies ist oft deshalb von Vorteil, weil der Besuch einer Sonder- oder Förderschule mit Vorurteilen behaftet ist und die Kinder deshalb ausgegrenzt werden. Vor allem aber erreichen Kinder mit bestimmten Förderbedarfen auch bessere Leistungen an allgemeinbildenden Schulen als an Förderschulen (vgl. Nationaler Bildungsbericht). Schaffen sie einen allgemeinbildenden Schulabschluss, haben sie bessere Chancen beim Übergang in den Beruf und danach.

Und was bedeutet Inklusion für die Kinder, die keinen besonderen Förderbedarf haben?

Inklusion ist kein Nachteil für die nicht-behinderten Kinder. Zunächst ist es ein Gewinn, im Alltag zu sehen, dass Menschen verschieden sind, Rücksicht zu nehmen und zu helfen. Gelungene Inklusion kann also das Sozialverhalten und das Einfühlungsvermögen stärken.

Oft haben Eltern Sorge, dass ihr Kind zu kurz kommt, weil Kinder mit Förderbedarf besondere Unterstützung brauchen, Aufmerksamkeit der Lehrkraft auf sich ziehen und sich die Leistung der Klasse verschlechtern könnte. Studien haben gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Klassen mit integrativ beschulten Kindern lernen nicht langsamer oder schneiden schlechter ab. Dadurch, dass in einer Klasse, gerade in der Grundschule, sehr unterschiedliche Kinder sind, muss auf jedes Kind individuell eingegangen werden. Ein individueller Blick auf ein Kind mit seinen Stärken und Schwächen und das Angebot passender Lerngelegenheiten, fördert jedes Kind. Wenn jedes Kind passende Aufgaben erhält, kommt auch ein hochbegabtes Kind nicht zu kurz.

Wie kann Inklusion gelingen?

Dies alles funktioniert allerdings nur, wenn genügend Unterstützung da ist und das Personal in der Schule gut ausgebildet ist. Dafür gibt es in den allgemeinbildenden Schulen inzwischen spezielle fachliche Unterstützung durch Sonderpädagogen. Kinder mit Förderbedarf bekommen IntegrationshelferInnen an ihre Seite, die sie begleiten. Auch wird Integration und Inklusion zunehmend Thema in der Aus- und Fortbildung. Klassen mit Integrationskindern sind in der Regel kleiner, um dem besonderen Bedarf der Kinder gerecht zu werden. Für eine zunehmende Integration (hier sind die einzelnen Bundesländern unterschiedlich weit) brauchen wir entsprechend ausgestattete Schulen (Aufzüge, Zusatzräume, Hilfsmittel), viel und gut ausgebildetes Personal. Das alles kostet natürlich Geld, lohnt sich jedoch langfristig wie Beispielrechnungen zeigen. Denn Separation ist teuer und zieht Folgekosten nach sich. Gelungene Integration und Inklusion lohnt sich – vor allem für die Gesellschaft: Sie fördert das soziale Miteinander, Toleranz und die Wertschätzung des einzelnen Menschen.

Lisas Eltern haben sich schließlich entschieden, sich für Lisa einen Platz in der Integrationsklasse zu wünschen, da sie der Meinung sind, dass Lisa in der Schule neben Lesen und Rechnen auch soziales Miteinander erfahren und Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft lernen soll.

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Autor

Christiane

Dr. Christiane Alvarez ist Diplom-Psychologin und Mutter von zwei Kindern. In ihre Beiträge fließt die mehrjährige Erfahrung aus der Beratung von Familien, ErzieherInnen und Lehrkräften ein.

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