Mama-Streit: Ist Karneval unerträglich?

13. Februar 2015

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Ich mag sie nicht, diese Alles-Miesmacher. Diese Zu-Allem-Nein-Sager. Diese An-Allem-Etwas-Doof-Finder. Jeder kennt doch solche Leute, oder? Die immer dagegen sind. Die etwas Neuem gar keine Chance lassen. Die die vermeintliche Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Das nervt ein bisschen. Aber man kann sie in der Regel ignorieren.

Es gibt allerdings Themen, die einfach polarisieren und bei denen es eigentlich nur JA oder NEIN oder SCHWARZ oder WEIß gibt. Karneval gehört zu diesen Themen.

Entweder, die Menschen sind hellauf begeisterte Fans oder abgrundtiefe Gegner. Dazwischen gibt es nichts. Ich gehöre zur ersten Sorte Mensch. Ich LIEBE Karneval. Ich akzeptiere, wenn jemand das anders sieht. Und sich zurückzieht, in den Urlaub fährt, dem Ganzen Getöse keine Beachtung schmeckt. Jeder Jeck ist eben anders. Was ich nicht akzeptiere ist, wenn sie zu Dauernörglern werden und uns Fans den Spaß nicht gönnen. Wenn sie sich plötzlich den Alles-Miesmachern und Zu-Allem-Nein-Sagern anschließen, obwohl sie eigentlich gar nicht zu dieser Gruppe Menschen dazugehören. Neulich schrieb ich einer Freundin aus dem Norden, dass ich auf der Mädchensitzung Karneval feiern war. Ihre Antwort? „Iiiiiiiiiiiiiiiiiih, geht diese Seuche schon wieder los!“ Nö, denk ich mir da. Nö, nö, nö. Karneval ist für mich Tradition. Karneval gehört für mich dazu. Karneval ist für mich Gemeinschaft, Heimat, Fallenlassen. Wenn ich in einem Saal stehe und mit x anderen Menschen, die ich nicht kenne, ein Lied singe, das wir alle kennen und dass uns allen ans Herz geht, dann bin ich glücklich. Karneval ist für mich bunt und freudig und warm. Und deswegen passt es so toll in diese triste kalte Jahreszeit. Wir schlagen dem Winter ein Schnippchen.

Als wir noch in Berlin wohnten, gab ich fein darauf Acht, dass meine Kinder am 11.11. und zu Karneval im Februar in Köln waren. Mit mir. Damit es ihnen, als gebürtige Halb-Westfalen in Mark und Bein geht. Und was soll ich sagen? Bei meinen Kindern hat es gewirkt. Ich konnte sie mit meiner Euphorie anstecken. Mehr noch: Sie möchten sogar eine Karnevalsband gründen. Später. Dafür üben sie schon jetzt und singen kölsche Lieder. Und ich singe mit (wenn ich darf).

Warum mir das so wichtig ist? Weil man Karneval nicht lernen kann. An Karneval lassen wir uns von der Erinnerung an frühere Feste und Feiern tragen. Denken melancholisch zurück und feiern uns und unser Leben. Wer auf diese Erinnerung nicht aufbauen kann, der findet nur schwer Zugang zu diesem Ausnahmezustand. Und deswegen kann ich jeden verstehen, der Reißaus nimmt vor Karneval – solange er mir meine Freude nicht nehmen will. Denn Karneval steht vor allem auch für uns: Für Toleranz. Lävve un lävve losse. Kölle Alaaf!

 

Katharina The Nachtsheim Session - Part One12.2.2014@ Niels Starnick

Ich kenne genau ein Karnevals-Lied. Und da auch nur den Refrain.

„Da simmer dabei. Dat es prima! VIVA COLONIA!

Wir lieben das Leben, die Liebe und die Lust,

wir glauben an den lieben Gott und han auch immer Durst.“

Ein echter Jeck kriegt jetzt Gänsehaut, ich auch. Allerdings, weil es mich gruselt. Ich finde Karneval unerträglich. Noch schlimmer: Mir fehlt jedes Verständnis, wie man zu dieser Musik auf den Tischen hopsen kann, seinen Nebenmann herzen und sich amüsieren kann – schlicht: Warum es Menschen gibt, die Karneval als Jahres-Highlight ansehen. Dabei habe ich es wirklich versucht. Es gab eine Zeit, da war es total hip, nach Köln zum Karneval zu fahren. Also habe ich es auch getan. Mein erstes Problem allerdings war, ein Kostüm zu finden. Ich mag noch nicht mal Motto-Partys – als was verkleide ich mich also zu der Mutter aller Motto-Partys? Ich als freche Hexe? Ne. Ich als Clown? Ich bin doch keine 12 mehr. Ich als heiße Stewardess? Auch nicht mein Fall. Also zog ich mich einfach kunterbunt an, schmierte mir Glitzer ins Gesicht, setze eine Perücke auf und wagte mich ins Getümmel. Doch ich hatte keinen Spaß. Es änderte auch nichts daran, dass ich das ein oder andere Schnäpschen trank. All diese Leute, diese Lieder, die ich nicht kenne, diese ganzen Albernheiten. Warum stürzen sich Erwachsene auf ein paar Bonbons, die von Wagen herunter geworfen werden, als wären es 100-Euro-Scheine? Und wo sagt man noch mal „Helau“ und wo „Alaaf?“ Ich fühlte mich wie ein Fremdkörper und trottete enttäuscht nach Hause. Eine Freundin, die in Köln geboren ist, fragte ich am Tag danach, warum sie den Karneval liebt. Sie sagte nur schwärmerisch: „All die vielen Menschen, dieses Gemeinschaftsgefühl. Das ist toll.“ Meine Antwort: „Wenn Du viele Menschen um Dich willst, kannst Du Dich auch einfach zur Rush-Hour in die U-Bahn stellen.“

Ein Jahr später dachte ich: „Mit ein bisschen Abstand mag ich den Karneval ja vielleicht“ und schaltete im Fernsehen eine Karnevalssendung ein. Und sah ältere Männer, die Witze machten, über die ich nicht lachen konnte. Frauen, die Kostüme trugen, die sie lieber nicht tragen sollten. Ein Gefühl setzte ein, dass ich sonst nur von Trash-TV-Formaten kenne: Ich schämte mich fremd. Warum sahen all die Menschen nicht selbst, dass sie sich wie Idioten benahmen? Dass an dieser ganzen Veranstaltung nichts witzig war? Waren die einfach alle betrunken oder muss man das mit der Muttermilch aufsaugen, um es zu begreifen? Erneut gab ich auf und schaltete den Fernseher aus. Einen dritten Versuch wage ich nicht. Der Karneval und ich, wir passen einfach nicht zusammen.

Findet Ihr Karneval auch unerträglich? Schreibt uns Eure Meinung unten als Kommentar!

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Fernsehen schon für ganz kleinen Kinder? Wer das unerträglich findet, könnt Ihr in unserem letzten Mama-Streit hier lesen.

Autor

Katharina und Lisa

Als drittes von fünf Kindern war Katharina immer klar: Sie will selbst auch eine große Familie haben. Mhhhh - doch dann kam zuerst das Studium, eine Ausbildung und schwupps war sie Ende 20, als ihre Tochter geboren wurde. Heute ist sie, Katharina, 33. Im Januar kam Baby Nr. 2 , der Traum von der Großfamilie besteht immer noch. Und weil die ja nicht nur von Luft und Liebe leben kann, arbeite sie als Journalistin mit Themenschwerpunkt... genau: Familie. Lisa ist 32 und beschäftigt sich, seit sie Mutter dreier Kinder ist, natürlich oft und viel mit Familienthemen. Um nicht ihrem gesamten Freundeskreis mit Kinder-Anekdoten zu nerven, schreibt sie in vielen Ecken und Enden des Internets darüber, z.B. bei www.nusenblaten.de oder www.stadtlandmama.de. Mit Kindern, Mann, Großeltern und vielen Tieren lebt sie direkt am Waldrand. Ihre eigene Kindheit verbrachte sie vor allem auf dem Fußballplatz, auf dem ihr Bruder kickte, während sie mit dem Einrad drumherum kurvte... Gemeinsam schreiben Katharina und Lisa unsere Kolumne "Mama-Streit".

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