Kolumne: Der Urlaubsfotograf

9. Juli 2014

Mein Freund fährt am liebsten alleine in Urlaub – das könnte man zumindest meinen, wenn man die Urlaubsbilder anschaut: Mein Freund braun gebrannt am Strand von Italien, mein Freund im Gespräch mit den einheimischen Bekanntschaften, die wir beim Dorffest kennenlernen, mein Freund im Licht der letzten Sonnenstrahlen auf den Stadtmauern.

Ich: hinter der Kamera. Der neue Bikini, das mühsam ershoppte Urlaubsoutfit, die frische Urlaubsbräune: hinter der Kamera. Kein Bild für die daheim Gebliebenen, kein Bild für graue Novembertage, an denen einen die Sehnsucht nach Sommer und Urlaub packt.

Mein Freund ist kein Foto-Verweigerer. Geduldig posiert er, wenn ich wieder rufe „Moment. Noch ein ganz kurzes Foto“. Nur eben kein Urlaubsfotograf. Die Fotoausrüstung ist vorhanden – verbringt in Zeiten von Handykamera, Selfie, Belfie und Co die Zeit aber alleine zuhause in Deutschland. Zu schwer, zu umständlich, zu lästig.

Manchmal mache ich noch schnell ein Bild von meinen Füßen oder ein schiefes Selfie im letzten Licht am Strand. Hauptsache ich kann noch ein kleines Stück von dem Moment mitnehmen. Zuhause schiele ich dann neidvoll auf die Timelines meiner Freunde, die sich einen Urlaubsfotografen geangelt haben.

Da gibt es den Dokumentar, der jeden Moment des Urlaubs minutiös dokumentiert hat: Die Fahrt zum Flughafen, Tomatensaft im Flieger, der erste Cocktail am Pool, der letzte Abend an der Hotelbar. Dem Dokumentar entgeht kein Urlaubsmoment. Seine besondere Leidenschaft gilt dem Schnappschuss, den er abends dann gerne via Hotel-W-Lan mit allen Freunden teilt. Verwackelte, unscharfe Bilder: egal. Location: unwichtig. Der Instagram-Filter richtet es. Ärgern tun ihn nur schlechtes Hotel-W-Lan und ein voller Handyspeicher.

Ganz anders beim Künstler: Die, meist weibliche, Urlaubsbegleitung ist sorgfältig an den schönsten Urlaubssettings inszeniert. Stundenlang hat er auf das richtige Licht gewartet und ist steile Hänge in Flipflops hochgeklettert, nur um den perfekten Spot zu finden. Die Begleitung glänzt besonders durch einen frisch mattierten Teint, teure Urlaubsoutfits und unpassendes Schuhwerk. Bilder würde er nie aus dem Urlaub teilen. Nach dem Urlaub freut er sich am meisten auf das erste regnerische Wochenende. Dann sperrt er sich zuhause ein und bearbeitet seine Bilder. Bei Facebook postet er grundsätzlich nur Bilder mit Angaben zur Location, Brennweite und Belichtungszeit. Was ihn ärgert? Ahnungslose Freunde, die ihn fragen, welchen Instagram-Filter er nutzt .

Und mein Freund? Der ist wohl eher der Typ Sammler. Haushoch beim Swing-Golf gewonnen: Punktezettel eingesteckt. Die zerknüllte Freibadkarte vom ersten heißen Tag am See: Eingesteckt. Das tolle Lokal, das wir zufällig an der Straße gefunden haben, und wo wir essen waren, obwohl wir gar keinen Hunger hatten: Papierserviette in die Hosentasche gesteckt.

Langsam gewöhne ich mich an die Vorzüge des Sammlers: Es gibt keine lästigen Fotoalben, die verstaut werden wollen. Keine Freunde, die bei den Urlaubsgeschichten müde abwinken – alles längst schon online gesehen. Kein regnerisches Wochenende alleine vorm Fernsehen, weil Freund Zeit für die Fotobearbeitung braucht. Nur eine kleine Box mit den Erinnerungsstücken des Sommers und mein Handy. Mit ganz vielen Bildern von ihm und ein paar schiefen Selfies von mir.

Titelbild: © Warren Goldswain – Fotolia.com

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Autor

Kathrin

Kathrin stammt vom wunderschönen Niederrhein, was im Münsterland manchmal für sprachliche Irritationen sorgt. Ihren Büroschreibtisch dekoriert sie am liebsten mit Tierfiguren und einem Hasen-Stofftier. Glücklich macht man Kathrin, wenn man ihr ein Lolcats-Bild zeigt, das sie noch nicht kennt, oder mit ihr zur nächstgelegenen, größeren Wasserfläche fährt. Dort entspannt sie beim Schwimmen und Surfen.

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